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Rothenburgsort – vom Industriestandort zu Kunst, Kultur, Genuss und Vergnügen

Klammheimlich hat sich Rothenburgsort in den letzten Jahren zu einem Stadtteil gemausert, der -neben seiner romantisch anmutenden Halbinsellage mitten in Hamburg-, eine abwechslungsreiche und hochinteressante Freizeit-, Kunst- und Kulturszene bietet. Wir haben eine kleine Rundreise gemacht. Unsere Entdeckungstour durch Rothenburgsort hat uns  sehr beeindruckt. Für uns steht fest: Langweilig wird es in Rothenburgsort nicht. Wer eine Schlafstadt sucht, der ist woanders besser aufgehoben.

Oldtimer Tankstelle mit Restaurant und Ausstellungsraum

Auf der 1953 erbauten, denkmalgeschützten Großtankstelle Brandshof, Billhorner Röhrendamm 4, dreht sich fast alles nur ums heilige Blech. Ein Muss für jeden Oldtimer-Fan! Der Hof der alten Werkstatt quillt mit automobilen Kostbarkeiten aus dem letzten Jahrhundert über. Mancher erinnert sich angesichts einiger Oldtimer wie einem Alfa Romeo Giulia GT von 1966, wehmütig an die Autofahrten, bei denen 160 Stundenkilometer das Herz rasen und die Karosse knarzen ließen, wo der Kupplungsvorgang nur mit Zwischengas funktionierte und Nässe auf der Straße Kurvenfahrten zu einem Abenteuer machten, gegen das keine Achterbahn ankommt.  In historischem Ambiente kümmert sich die spezialisierte Prüfstelle um die Automobile aus Zeiten, in denen alles noch analog funktionierte. Wer warten will, bis sein Auto durchgecheckt ist, der bekommt im Erfrischungsraum ab 6 Uhr ein leckeres Frühstück, Kuchen, frischen Filterkaffee, Mittagsmenüs von Pasta bis Rotbarsch und ein friesisch herbes Jever oder was auch immer. Kleinere Veranstaltungen und Ausstellungen machen das Angebot perfekt.

Zeitgenössische Kunst und Nachwuchsförderung

Hinter der Tankstelle geht es zum Brandshofer Deich. Im Haus Nr. 52 zeigt die Galerie Evelyn Drewes seit 2008 zeitgenössische Kunst. Hier sind interessante Werke mit dem Schwerpunkt figürliche Malerei ausgestellt. Neben den Ausstellungen für ihre Künstler stellt die Galerie mit dem Format Klassenausstellungen einmal im Jahr ihre Räumlichkeiten für Kunststudenten zur Verfügung. Studenten der Kunstakademien Münster, Nürnberg, Karlsruhe oder Düsseldorf haben hier schon erfolgreich ihre Projekte präsentiert.

Ein Raum, ein Herd, vier Sterne

Wer noch einen Platz bekommt, kehrt ein paar Schritte weiter, Brandshofer Deich 68, im 100/200 Kitchen ein. Im zweiten Stock des alten Backstein Gebäudes, das zum Brandshof-Ensemble gehört, zaubert Küchenchef Thomas Imbusch unvergessliche lukullische Kreationen für seine Gäste. Serviert wird quasi in der Küche seines 4-Sterne Gourmet-Restaurants.  Gegessen wird, was auf den Tisch kommt, ein Menü mit 3 bis 11 Gängen zwischen „Emotionen und Ekstase“, wie der Gastronom es auf seiner Website selber beschreibt. Die Bewertungen und Presseberichte bestätigen dies, so dass ein Besuch dort unbedingt auf die Agenda muss.

Selfie vor dem kleinen Hamburger Chilehaus

Das markante Eckgebäude, welches sich am Brandshofer Deich 116 und an der Kopfseite des Brandshof-Ensembles befindet, wird übrigens auch als das kleine Hamburger Chilehaus bezeichnet. Die ideale Kulisse für Selfies mit hoher Gefällt-mir-Klick Rate! Das 1926 nach den Plänen des Architekten Otto Hoyer erbaute expressionistische Backsteinensemble war zunächst ein Reederei-Verwaltungssitz. 2008 kaufte es der bekannte Immobilien-Investor Klausmartin Kretschmer. Bevor er das historische und denkmalgeschützte Gebäude sanieren konnte, geriet er jedoch in finanzielle Nöte. 2018 kaufte der Unternehmer Joachim Doerks die markante Gebäudegruppe. Mit insgesamt etwa 25 Millionen Euro sanierte er die Gebäude. Heute weht dort das neu belebte Flair von Fabriklofts durch die Gänge, Hallen und Räume, die ihren alten Schiebetore und die Hallenkräne sogar behalten durften. Das Kontorhaus beherbergt einen Schiffsinneneinrichter, Outdoor-Ausrüster sowie Büros.

Theater, Musikstudio, Ateliers für Kreative

In der nächsten Straße, der Reginastraße 19, befindet sich das Kunst und Kulturzentrum des Stadtteils, das PEM-Center-Hamburg. Neben Hilfs-, Bildungs- und Weiterbildungsangeboten lädt das kleine aber feine PEM-Theater zu szenischen Lesungen, Konzerten, Komödien, Kulturabenden und mehr ein. 700 Meter weiter, in der Billhorner Brückenstr. 40, residiert die getting-up Ateliergemeinschaft. Die 1999 gegründete Ateliergemeinschaft der bekannten Graffiti-Writing Künstler Mirko Reisser (DAIM), Gerrit Peters (Tasek) und Heiko Zahlmann (Rkt one) organisiert und realisiert Graffiti- und Street-Art Projekte, die internationale Beachtung finden. Von dieser Künstlergruppe wurde unter anderem das Weltrekord-Gemälde an Dock 10 realisiert. Auch viele der in Rothenburgsort zu bewundernden Graffitis kommen von getting up Sprayern. Insgesamt etwa 1.200 Quadratmeter Atelierräume stellt außerdem die Ateliergemeinschaft S21 e.V. am Billhorner Deisch 94, für Künstler und kreative Projekte von Malerei bis Musik zur Verfügung. Musikalisch geht es dann bei Clouds Hill Recordings, Billwerder Neuer Deich 72 weiter. Hier hat sich Johann Scheerer mit seinem Musikstudio niedergelassen. Der umtriebige und überaus talentierte Reemtsma Sprössling hat schon mit seinen Produktionen für Bands wie beispielsweise Pete Doherty, Bosnian Rainbows oder Faust und Stella von sich Reden gemacht. Seit 2017 ist er darüber hinaus aktiv in der Nachwuchsförderung.

Kult pur – eine der ältesten Gardinenkneipen Hamburgs

Nach so viel Kunst und Kultur kommt ein Kontrastprogramm ganz gut. In gefühlt Hamburgs ältester Gardinenkneipe Zur Mühlenklause, Billhorner Mühlenweg 26, scheint die Zeit seit etwa 50 Jahren stehen geblieben zu sein. Hinter verrauchten Scheibengardinen, zwischen maritimer Malerei, allerlei Kitschkunst und Zierrat sitzen die Gäste auf ihren Leder-Imitat-Eckbänken und lauschen zum Astra für 1,40 Euro ABBA, Marianne Rosenberg oder Mariah Careys Schmachtfetzen aus der Jukebox. Kult pur. Wer nach dem Besuch wieder auf der Straße steht, denkt „Wow! Welch‘ eine Zeitreise!“

Golf Lounge – Abschlag aus der zweiten Etage

Das nächste Highlight ist die Golf Lounge. Golfsport braucht ja bekanntlich viel Platz in der Fläche. Die Golf-Lounge am Billwerder Neuer Deich macht aus der Not eine Tugend. Hier gehen die Betreiber einfach in die Höhe. Mit Europas modernster Driving-Range beweisen sie, dass Golf weit mehr als Altherrensport ist. Die Abschlagplätze sind über drei Ebenen verteilt. Die sogenannten Gaming-Boxen für jeweils bis zu  6 Personen sind mit Leihschlägern, Ballautomaten sowie Sensoren zur Reichweitenmessung und Computerauswertung perfekt ausgestattet. Wer doch lieber den 18-Loch Platz bespielt, dafür aber nicht weiter ziehen möchte, bucht einfach im Simulator-Raum seine Wunsch-Anlage.  Fast schon überflüssig zu erwähnen ist, dass auch für das leibliche Wohl nebst stylischer Lounge-Bar gesorgt ist.  Golf-Neulinge sind hier genauso begeistert wie erfahrene Spieler.

Goldene Zeiten für Rothenburgsort

Zurück zu Kunst und Kultur. Von der Golf Lounge geht es rüber auf die Landzunge mit ihrem Elbpark Entenwerder. Kurz vor der Billwerder Bucht liegt, erreichbar über eine historische Bogenbrücke, das schwimmende Ponton Cafe Entenwerder 1. Das Café ist im fast 12 Meter hohen goldenen Pavillon, einer begehbaren Skulptur mit goldfarbener Kupferfassade, untergebracht. Der goldene Pavillon war 2007 Teil der Skulpturenausstellung  Münster. 2015 kam das Kunstwerk im Rahmen des, vom Thomas-i-Punkt Gründer Thomas Friese ins Leben gerufene, Projektes „Goldene Zeiten für Rothenburgsort“ an die Norderelbe. Unvergessliche Momente sind hier sicher! Neben einem herrlichen Blick über und dem Platz am Wasser werden verschiedene Leckereien mit köstlichen Kaffeespezialitäten serviert, die das Entenwerder 1 direkt vom Nachbarn, der Kaffeerösterei Public Coffee Roasters, bezieht.

Hamburgs ehemalige Wasserversorgung als Industriedenkmal

Tja und wer immer noch nicht genug gesehen hat, fährt einfach weiter nordöstlich über den Ausschläger Elbdeich zur Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe. Inmitten eines wunderschönen, von der Elbe umgebenen Naturparks steht das beeindruckende Industriedenkmal, das alte Wasserwerk Kaltehofe. Unbedingt zu empfehlen sind die geführten Rundgänge. Sie leiten durch die Geschichte der Hamburger Wasserversorgung, deren einmaliger Architektur und erklären anschaulich die damaligen Arbeitswelten mit der sie umgebenden Technik.

Unsere Prognose: Rothenburgsort ist mehr als nur eine Reise wert und wird auch nicht mehr lange nur ein Geheimtipp sein.

Autor: Daniela Maria Hübsch

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